Protozoen

Protozoen
Pro|to|zo|en:
Pl. von Protozoon.

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Protozoen
 
[griechisch zõon »Lebewesen«], Singular Protozoon das, -s, Protozoa, Einzeller, Urtierchen, dem Unterreich der vielzelligen Tiere (Metazoa) gegenübergestelltes Unterreich, das die einzelligen (tierischen) Organismen umfasst. Die Erkenntnis, dass die Grenze zwischen tierischen und pflanzlichen eukaryontischen Organismen innerhalb der Flagellaten (Mastigophora) verläuft - Phytoflagellaten mit Plastiden sind autotroph, Zooflagellaten sind heterotroph - sowie neue Erkenntnisse über die Ultrastruktur und die Fortpflanzungsbiologie zum Teil auch solcher Organismen, die früher den Algen oder den Schleimpilzen zugeordnet wurden, haben die Systematik in Bewegung versetzt. Auf der Basis dieser Erkenntnisse wurde z. B. 1980 von Norman Dion Levine (* 1912) und Mitarbeitern eine völlig neue Klassifikation der »Protista« (statt Protozoen) vorgenommen, die allerdings noch umstritten ist.
 
Zu den Protozoen gehören rd. 27 000 rezente Arten, von denen die meisten eine Größe von 1 μm bis 2 mm, seltener bis zu einigen cm aufweisen; die größte rezente Art, Gypsina plana (eine Foraminifere), besitzt ein Gehäuse von bis zu 12,5 cm Durchmesser. Zusätzlich sind rd. 20 000 fossile Arten bekannt, deren größte, ebenfalls eine Foraminifere, einen Gehäusedurchmesser von bis zu 15 cm besaß.
 
Bau der Protozoen:
 
Morphologisch stehen die Protozoen auf der Stufe der eukaryontischen Einzelzelle; sie enthalten daher alle normalen Zellstrukturen und darüber hinaus vielfach spezifische Zellorganellen, deren Differenzierung der bei den Vielzellern vorliegenden Differenzierung in Gewebe und Organe vergleichbar ist. Alle Protozoen besitzen zumindest einen Zellkern, v. a. größere Protozoen jedoch zahlreiche gleichartige Kerne; bei Foraminiferen und Wimpertierchen kommen zwei unterschiedliche Kerntypen vor, ein der Fortpflanzung dienender Mikronukleus und ein somatischer Makronukleus. Die Zelloberfläche ist nackt und weitgehend formveränderlich (z. B. bei Amöben) oder mit fester, relativ formkonstanter Pellikula. Als Anhänge der Zellhülle treten Geißeln oder Wimpern auf beziehungsweise aus diesen verschmolzene, komplizierte Bildungen sowie bei den Sauginfusorien Saugtentakeln. Die Zellhülle kann auch durch die Unterlagerung von Zytoskelett (Mikrotubuli, Mikrofilamente) verfestigt sein (z. B. bei den Wimpertierchen). In die Zellmembran können Extrusomen eingefügt sein, membranumhüllte Organellen, die auf äußere Reize hin ihren Inhalt aus der Zelle ausstoßen (z. B. Trichozysten beim Pantoffeltierchen). Der Zellmembran ist eine aus Mucopolysacchariden bestehende äußere Hüllschicht aufgelagert (Glykokalyx), die durch Einlagerung weiterer organischer Substanzen oder von Calciumcarbonat oder Silikat als Skelett den Plasmakörper stützen kann (z. B. bei Silicoflagellaten, Sonnentierchen, Rädertierchen). Im Süßwasser lebende Protozoen besitzen kontraktile Vakuolen zur Osmoregulation und zur Exkretion.
 
Der Fortbewegung dienen Geißeln oder Wimpern in Ein- oder Mehrzahl, bei einigen Arten (z. B. den Wimpertierchen) können sie den ganzen Zellkörper bedecken. Durch wellenförmige oder schraubige Bewegungen ermöglichen sie die Fortbewegung der Zelle oder strudeln Nahrung herbei. Geißeln können mit dem Zellkörper durch eine undulierende Membran verbunden (z. B. Trypanosoma) oder auch fein verzweigt sein. Fließ- oder Kriechbewegungen werden durch die Ausbildung von Scheinfüßchen, veränderliche Zellfortsätzen, ermöglicht. Sie entstehen durch die Aktivität kontraktiler Proteine (Aktin, Myosin).
 
Ernährung, Verdauung:
 
Die heterotrophen Protozoen nehmen organische Nahrungsbestandteile in fester (durch Phagozytose) oder flüssiger Form (durch Pinozytose) zu sich, die dann in speziellen Nahrungsvakuolen durch Lysozyme verdaut werden. Unverdauliche Nahrungsbestandteile werden wieder ausgeschieden (Exozytose). Bei Protozoen mit fester Zellhülle ist zur Nahrungsaufnahme ein Zellmund (Cytostom) und zur Ausscheidung ein Zellafter (Cytopyge) ausgebildet. Phototrophe Protozoen (Phytoflagellaten) betreiben Photosynthese.
 
 
Reize werden durch die ganze Zelle aufgenommen, wobei die Reizantwort in der Regel in einer gerichteten oder ungerichteten Bewegung der Zelle besteht. V. a. bei den photoautotrophen Flagellaten sind Augenflecke als Hilfsorgane bei der Aufnahme von Lichtreizen ausgebildet. Bei Wimpertierchen können Wimpern für die Mechanorezeption (Berührung, Strömung) spezialisiert sein.
 
Die Fortpflanzung erfolgt auf ungeschlechtlichem Weg durch Zweiteilung, Vielfachteilung oder Knospung. Bei vielen Protozoen kommt auch geschlechtliche Fortpflanzung durch Kopulation oder Konjugation vor. Viele endoparasitisch lebende Protozoen (z. B. Sporentierchen) haben einen Generationswechsel, der oft mit einem Wirtswechsel verbunden ist.
 
 
Protozoen leben ausschließlich in feuchten Lebensräumen, sowohl im Meer als auch im Süßwasser und in feuchten Kleinstbiotopen (z. B. Bromelientrichter, Sandlückensystem), als Parasiten, Symbionten oder Kommensalen in oder an anderen Tieren (z. B. Pansenciliaten bei Wiederkäuern). Protozoen, die in periodisch austrocknenden Lebensräumen vorkommen, sind zur Zystenbildung befähigt. Einige Arten sind Krankheitserreger bei Mensch und Haustieren (z. B. Plasmodium, Trypanosoma, Kokzidien). Im Gesamtökosystem spielen Protozoen eine wichtige Rolle, sowohl als (herbivore, carnivore oder saprophage) Mikrokonsumenten als auch, im Falle der phototrophen Phytoflagellaten, als Primärproduzenten. Die Skelette bestimmter Formen haben zur Bildung ganzer Gesteinskomplexe beigetragen (z. B. Globigerinenkalke, Kreide, Fusulinenkalke, Radiolarit).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Infektionen durch Pilze und Protozoen
 
Organismengruppen: Ein Überblick
 

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Pro|to|zo|en: Pl. von ↑Protozoon.

Universal-Lexikon. 2012.

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